Wasserstoff – Stoff der Zukunftsträume

Energie, die verbindet

Wasserstoff – Stoff der Zukunftsträume

Abbildung mit freundlicher Genehmigung von HTI Gienger

Vorwort zur Broschüre „Wasserstoff – Zukunft innovativ gestalten“ der HTI-Gruppe.

Das Land wird bedeckt sein mit Reihen metallischer Windmühlen, aus welchen in windreichen Zeiten überschüssige Energie in nahe gelegene Kraftwerke geleitet wird, wo sie Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Die Gase werden in Tanks, möglicherweise unter der Erde gelagert. So wird die Windenergie speicherbar. In Zeiten des Mangels werden die Gase dann rekombiniert und damit nutzbar gemacht. Die Kosten werden zunächst erheblich sein, doch liegen die laufenden Kosten niedriger als die unseres heutigen Systems. Keine Asche, kein Rauch werden mehr produziert. – So oder so ähnlich beschrieb der Genetiker und Evolutionsbiologe J. B. S. Haldane am 4. Februar 1923 seine Vision einer regenerativen und wasserstoffbasierten Energieversorgung, deren Realisierung er für 400 Jahre danach erwartete. Klimawandel und Energiewende mit modernen Windkraftanlagen, Photovoltaik, Gasturbinen und Brennstoffzellen – all das war zu seiner Zeit noch unbekannt. Aber heute, beinahe 100 Jahre nach seiner Rede bei der Heretics Scociety an der Universität in Cambridge, scheint seine Vision Wirklichkeit werden zu wollen.

Die Bundesregierung beschloss im Juni 2020 mit der nationalen Wasserstoffstrategie und einem damit verbundenen milliardenschweren Förderprogramm, voll auf das leichteste aller Elemente zu setzen: Grüner Wasserstoff habe »das Potenzial, das klimafreundliche Erdöl von morgen zu werden« ist auf den Internetseiten von Bundesministerien nachzulesen. Laufen Elektrolyseure mit den dort angestrebten 5 Gigawatt elektrischer Anschlussleistung für 2.000 Stunden im Jahr, erzeugen sie jährlich etwa 14 Terawattstunden Wasserstoff. Das entspricht etwa 2,5 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland.

Auch die Europäische Union hat mit ihren Programmen InvestEU, Important Projects of Common European Interest und Carbon Contracts for Difference Maßnahmen entwickelt. Am 8. Juli 2020 legte die EU-Kommission ihre Wasserstoffstrategie vor, auf deren Basis ein Fahrplan für die nächsten Jahre weiterentwickelt wird: Bis 2024 sieht dieser vor, 6 Gigawatt Elektrolyseleistung mit einer Produktionskapazität von 1 Mio. Tonnen Wasserstoff pro Jahr zu unterstützen. Bis 2030 soll Wasserstoff zum wesentlichen Bestandteil eines integrierten Energiesystems werden. Mit 40 Gigawatt Elektrolyseleistung und einer jährlichen Produktion von 10 Mio. Tonnen Wasserstoff. Bis zum Jahr 2050 sollen die Technologien dann ausgereift sein und in großem Maßstab in allen Sektoren eingesetzt werden, in denen die Dekarbonisierung anderweitig schwer zu bewerkstelligen ist.

Wasserstoff zur Speicherung und Verstetigung fluktuierend dargebotener regenerativer Energie also. Wasserstoff als Sektoren koppelndes Element im Wortsinn. In einem Energiesystem, welches um ein Vielfaches komplexer ist als jenes vor 100 Jahren zu Haldanes Zeiten.

Zur Herstellung des begehrten Stoffes stehen mit alkalischer und Membranelektrolyse von Wasser sowie der Reformierung und Gasifizierung von Biomasse ausgereifte Verfahren im industriellen Maßstab zur Verfügung. Weitere, teils vielversprechende Lösungen werden entwickelt: Meerwasser- und Dampfelektrolyse, thermochemische Kreisprozesse oder photokatalytische und photobiologische Verfahren zur Wasserspaltung. Setzen sich aktuelle Trends fort, sind auf Basis der Weiterentwicklung heute verfügbarer Technologien zur Wasserelektrolyse Kostendegressionen von im Jahr 2010 ca. 1.000-1.500 Euro pro installiertem Kilowatt elektrischer Leistung auf 500 Euro pro Kilowatt im Jahr 2050 zu erwarten.

Als Sektorkoppler wird Wasserstoff auch Ausgangsstoff sein für die Herstellung grüner Folgeprodukte wie beispielsweise Methan, Ammoniak oder Methanol. Er wird nicht der alleinige Heilsbringer sein. Wasserstoff ist Teil einer Lösungsmenge im Energiesystem der Zukunft. Nur grüner, das heißt mit regenerativ erzeugtem Strom hergestellter Wasserstoff kann dabei zielführend sein. Farbliche Schattierungen von Schwarz, Grau und Blau über Türkis, Braun, Gelb oder Pink sind fossil-atomar basiert. Sie gehen einher mit Investitionen in die Abscheidung und Speicherung von fossilem Kohlenstoffdioxid, mit einer nicht geklärten Abfallproblematik und sind nicht frei von Treibhausgasemissionen. Damit haben sie im Energiesystem der Zukunft keinen Platz.

Grüner Wasserstoff ist ein kostbarer Energieträger, bei dessen Erzeugung aus physikalischen Gründen durch Umwandlungsverluste wertvolle erneuerbare Energie für die Nutzung verloren geht und welcher »große Mengen an erneuerbarem Strom [erfordert und damit] indirekt Flächen, Rohstoffe und Wasser« beansprucht, wie es der Sachverständigenrat für Umweltfragen formuliert. Er darf also erstens nur dort eingesetzt werden, wo es keine effizienteren Alternativen gibt und wo sein Einsatz besonders große Einsparpotenziale entfaltet: weniger im Wärme- und Mobilitätssektor als in der Chemie- und Stahlindustrie, im Schiffs- oder Flugverkehr. Zweitens aber zur Speicherung von Energie aus regenerativer Erzeugung in Zeiten erneuerbaren Überangebotes und damit einer zeitlichen Verlagerung dieser notwendigen Überkapazitäten in erzeugungsschwächere Phasen. Wird Wasserstoff importiert, wie von der Politik gewünscht, muss sichergestellt sein, dass bei seiner Erzeugung in den Produktionsländern ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden. Nur dort macht die Nutzung von grünem Wasserstoff Sinn, wo die in ihm enthaltene Energie nicht eingespart werden kann und wo er zur globalen Energiewende beiträgt.

© 2022 | Ingenieurbüro Thema, Martin Thema | Broschüre „Wasserstoff – Zukunft innovativ gestalten“

Download der Broschüre hier oder auf der Homepage der HTI-Gruppe.